Ungleichbehandlung auf der Flucht

Bereits auf der Flucht werden Menschen qua Herkunft und Aussehen unterschiedlich behandelt. Dies ist kein neues Phänomen, das sich an der Ungleichbehandlung von nicht-weißen Fliehenden aus der Ukraine zeigt, sondern die Kontinuität eines Umgangs mit Schwarzen Menschen und Menschen of Color, der sich bereits bei den letzten Fluchtbewegungen massiv zeigte – durch den Vergleich mit dem jetzigen Umgang mit ukrainischen Geflüchteten fällt diese rassistische Ungleichbehandlung aber besonders auf. 

Richtlinie zum vorübergehenden Schutz – eine gute Idee, leider nur für einige.

  • Durch die Aktivierung der EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz soll Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, eine Schutzmöglichkeit gegeben werden; sie sollen die Möglichkeit haben, ihr Leben möglichst ohne bürokratische Hürden und zermürbende Verfahren so weiterzuleben, wie sie es in der Ukraine geführt haben. Dies ist aktuell ukrainischen Staatsangehörigen und Menschen mit einem dauerhaften oder unbefristeten Aufenthaltstitel in der Ukraine vorbehalten. (Im öffentlichen Diskurs wird die Richtlinie auf vorübergehenden Schutz meist „Massenzustromrichtlinie“ genannt. Da allerdings die Bilder, die dieser Begriff erzeugt, äußerst problematisch sind und rassistische Narrative bedienen, verwenden wir ihn im folgenden Text nicht noch einmal.)
    • Die Aufnahmebereitschaft der EU, die wir seit Beginn des Krieges in der Ukraine durch die Anwendung der EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz (§24 AufenthG) erleben, hat es noch nie gegeben, obwohl auch in jüngster Vergangenheit sehr viele Menschen kriegsbedingt oder aufgrund bewaffneter Konflikte Richtung Europa fliehen mussten. Hierfür werden im Diskurs etliche Scheinargumente verwendet, z.B. eine vermeintliche räumliche Nähe zur Ukraine, eine vermeintliche kulturelle Nähe zu Ukrainer*innen, die bei anderen Geflüchteten angeblich nicht zu finden sei, was insbesondere auf rassistischen Zuschreibungen beruht.
    • Durch die Anwendung der EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz können Ukrainer*innen ihren Zielstaat innerhalb der EU frei wählen – im regulären Asylverfahren, d.h. für alle anderen Geflüchteten, greift die Dublin-III-Verordnung, die eine selbstbestimmte Entscheidung in Bezug auf den Zielstaat erschwert bzw. verhindert und Menschen so zu Objekten der Flüchtlingspolitik macht.
    • Durch die Anwendung der EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz wird behördlich keine individuelle Fluchtgeschichte benötigt, die Menschen erhalten nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik zeitnah einen Aufenthaltstitel und die Erlaubnis einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Im Asylverfahren hingegen muss die individuelle Fluchtgeschichte vorgelegt und glaubhaft gemacht werden. Dies ist enorm belastend und kann zu Re-Traumatisierungen führen. Die bedrohlichen Situationen in Syrien und Afghanistan waren und sind ähnlich belegt wie die Situation in der Ukraine – trotzdem mussten und müssen individuelle Schicksale glaubhaft gemacht werden, weil hier die EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz nicht angewendet wurde.

Die Ungleichbehandlung hat bereits Geschichte…

  • Nach der Machtübernahme der Taliban im letzten Jahr ist die Situation in Afghanistan immer noch menschenunwürdig, für viele gesellschaftliche Gruppen spitzt sich die Gefahrenlage sogar weiter zu. Viele Menschen, die von deutschen oder US-amerikanischen Kräften ausgebildet worden sind, wurden sich selbst überlassen und müssen aufgrund der Verfolgung durch die Taliban um ihr Leben fürchten. Asylverfahren von Afghan*innen werden derzeit oft erst nach langer Zeit (mehrere Monate oder länger) „nur“ mit einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 entschieden, darüber hinaus mehren sich unserer Beratungserfahrung nach mittlerweile die Abschiebungsandrohungen. Die meisten Menschen, die aus Afghanistan fliehen wollen, erreichen aber die EU gar nicht erst, denn derzeit erscheint eine Flucht aus Afghanistan fast unmöglich. – Bereits vor der Machtübernahme waren die ungenügende humanitäre und die Sicherheitslage bekannt. Dennoch wurden keine ausreichenden politischen Anstrengungen unternommen, sichere Fluchtwege zu schaffen und die Aufnahme geflüchteter Afghan*innen zu regeln, wie es nun bei den Ukrainer*innen möglich gemacht wird.
  • EU-Türkei-Deal: Vor sechs Jahren gab es bereits eine sehr große Fluchtbewegung in die EU – hier wurde die EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz allerdings nicht aktiviert. Stattdessen schloss die EU mit der Türkei einen Deal über die Rücknahme von geflüchteten Menschen. Schwarze Geflüchtete und Geflüchtete of Color werden seither wie eine Ware verschoben. Die EU betreibt quasi Outsourcing mit dem Recht auf Asyl – wohl wissend, dass in einem autokratischen System wie in der Türkei keine menschenwürdigen Bedingungen auf Geflüchtete warten.

Die EU verletzt Recht an den Grenzen

  • Menschen, die über das Mittelmeer fliehen und auf Seenotrettung angewiesen sind, werden regelrecht ertränkt, indem sie auf lebensbedrohliche Weise zurückgedrängt werden (illegale Push-Backs) und indem Seenotrettung kriminalisiert wird. Schwarze Menschen und Menschen of Color werden ihres Rechts auf Flucht und Asyl gewaltsam beraubt. Die Agentur FRONTEX wird von der EU bezahlt und bricht regelmäßig, vielfach und auf brutale Weise europäisches Recht.
  • Geflüchtete werden an den Außengrenzen zum Teil zur Ausführung von Push-Backs der staatlichen Akteure gezwungen. Hier wird die bereits rassistische Praxis der Zurückdrängung und der Hinderung am Recht auf Flucht und Asyl weiter pervertiert.
  • An den EU-Außengrenzen werden während des Ukraine-Krieges Schwarze Menschen und Menschen of Color am Grenzübertritt in anliegende Staaten, wie z.B. Polen, gehindert. Diese Auswahl nach äußeren Merkmalen ist eine rassistische Praxis.

Forderungen

  • Sofortiger Stopp der menschenrechtswidrigen und illegalen Maßnahmen der EU an ihren Außengrenzen und auf dem Mittelmeer.
  • Sichere Fluchtrouten für Alle in die EU und nach Deutschland schaffen.
  • Einheitliche Anwendung des Rechts auf Flucht und Asyl für Alle. Umgang mit ukrainischen Geflüchteten als Paradigma.
  • Keine Benachteiligung von insbesondere rassifizierten Menschen in behördlichen Verfahren.

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