Ungleichbehandlung beim Zugang zu Arbeit

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist eine grundlegende Voraussetzung für erwachsene Menschen, um finanziell unabhängig zu werden und sich eine Zukunft aufbauen zu können. Zu arbeiten kann dazu führen, sich selbstbewusst wahrzunehmen. Während Geflüchteten mit ukrainischem Pass der Zugang durch Anerkennung ihres Status, ihrer Zeugnisse und sogar noch nicht vorhandener Zeugnisse erleichtert wird, wird er anderen Menschen erschwert und verwehrt.

Beschäftigungserlaubnis

Für ukrainische Staatsangehörige ist durch die Aktivierung von § 24 AufenthG die Beschäftigung und die selbstständige Erwerbstätigkeit erlaubt. Sie können sich selbst eine Arbeit suchen, sich arbeitslos melden und die Förderangebote der Agentur für Arbeit oder der Jobcenter in Anspruch nehmen. Der Arbeitsmarktzugang von nicht ukrainischen Drittstaatangehörigen, die aus der Ukraine geflohen sind, und allen anderen Geflüchteten unterliegt komplexen gesetzlichen Regelungen, immer in Abhängigkeit vom Status der betroffenen Person. – Zugang zu Arbeit kann bedeuten, finanziell unabhängig zu werden, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, den gefühlten Selbstwert zu steigern – vor diesem Hintergrund ist auch diese Ungleichbehandlung von geflüchteten Menschen eklatant.

  • Während Ukrainer*innen die Beschäftigung sogar schon vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis durch eine Fiktionsbescheinigung möglich ist, benötigen Geflüchtete, die sich als Asylsuchende in Deutschland aufhalten oder eine Duldung haben, die Erlaubnis der zuständigen Ausländerbehörde. Geduldeten und Gestatteten kann eine Beschäftigungserlaubnis frühestens nach drei Monaten Aufenthalt erteilt werden.
    • Nach drei Monaten können Gestattete und Geduldete, die nicht in einer Landesunterkunft untergebracht sind, die Aufnahme einer Beschäftigung beantragen. Gestattete, die in einer Landesunterkunft untergebracht sind, haben einen Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nach neun Monaten, sofern das Arbeitsverbot nicht fortbesteht. Geduldete können nach sechs Monaten einen Antrag stellen.
    • Für Gestattete gilt während der Wohnpflicht in Landesunterkünften – welche bis zu eineinhalb Jahre dauern kann – ein grundsätzliches Arbeitsverbot.
    • Gestattete und Geduldete unterliegen einem generellen Arbeitsverbot, wenn sie aus einem „sicheren Herkunftsstaat“ stammen oder bei Geduldeten, wenn sie – aus Sicht der Behörden – das Abschiebehindernis selbst zu vertreten haben.
  • Auch im Falle der 2019 neu eingeführten „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ (sogenannte „Duldung light“) darf keine Arbeitserlaubnis erteilt werden.
  • Für die Beschäftigungserlaubnis ist je nach konkreter Tätigkeit eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erforderlich.
  • Die 2016 geschaffene Regelung zur Ausbildungsduldung ("3+2"-Regelung) eröffnet unter Umständen für Geduldete eine sichere Bleibemöglichkeit für den Zeitraum, in dem sie eine qualifizierte Ausbildung absolvieren. Finden die Betroffenen nach erfolgreichem Abschluss ihrer Ausbildung eine Arbeit im erlernten Beruf, wird ihnen eine Aufenthaltserlaubnis für zwei weitere Jahre erteilt.
  • Seit 1.1.2020 ist die Beschäftigungsduldung in Kraft getreten, wovon allerdings nur wenige Menschen profitieren können, denn die Gültigkeit des Gesetzes wurde auf nur drei Jahre (bis zum 31. Dezember 2023) festgesetzt. Die Grundvoraussetzungen, um eine Beschäftigungsduldung zu erlangen, sind sehr strikt und diskriminieren ganze Personengruppen. Durch die lange „Vorduldungszeit“ von 12 Monaten kann die Beschäftigungsduldung von vielen Personen überhaupt nicht wahrgenommen werden. Hier ist eine rechtliche Hürde eingebaut worden. Die Vermutung liegt nahe, dass dies geschah, um den Ausländerbehörden genügend Zeit zu geben, Abschiebungen vornehmen zu können, bevor überhaupt eine Beschäftigungsduldung erteilt werden kann.
  • Während geflüchtete Menschen mit ukrainischem Pass Zugang zur Ausbildungsförderung und zu weiteren unterstützenden Maßnahmen im Arbeitsförderungsrecht nach SGB III haben, ist der Zugang zu diesen Förderinstrumenten für Gestattete und Geduldete in Teilen durch Wartefristen in Form einer Mindestvoraufenthalts- bzw. Mindestduldungsdauer eingeschränkt. (Einen Überblick über die vielschichtigen rechtlichen Rahmenbedingungen der Ausbildungsförderung für Geflüchtete mit Aufenthaltsgestattung, Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BÜMA) oder Ankunftsnachweis bietet die Arbeitshilfe des IQ Netzwerk Niedersachsen und der GGUA Münster: ggua.de.)

Zugang zu Integrationskursen und berufsbezogener Sprachförderung (DeuFöV)

Die Situation ist, wie beim Arbeitsmarktzugang auch, stark abhängig von komplexen, sich ändernden rechtlichen Regelungen.

  • Für geflüchtete Ukrainer*innen ist sowohl mit Aufenthaltserlaubnis gem. § 24 AufenthG als auch mit Antrag auf vorübergehenden Schutz die Zulassung zu Integrationskursen möglich. Das Jobcenter kann ggf. auch zu einem Kurs verpflichten. Das führt dazu, dass diese Menschen keine Zeit verlieren und nahtlos an Kursen teilnehmen können. – Für alle anderen setzt die Anmeldung zu Integrationskursen sowie zu berufsbezogener Sprachförderung (DeuFöV) die Vorlage eines Aufenthaltstitels voraus und ist nur mit einer Berechtigung bzw. Verpflichtung durch das BAMF bzw. das Jobcenter möglich[3] . (Eine Übersicht der GGUA erklärt die Zugangsmöglichkeiten zu Sprachförderung für Geflüchtete, differenziert nach vermeintlicher Bleibeperspektive, Herkunftsland und Aufenthaltsdokument: ggua.de.)
  • Der Zugang zu Integrationskursen sowie berufsbezogene Sprachförderung (DeuFöV) ohne Wartefrist gilt grundsätzlich nur für Menschen aus vier Herkunftsstaaten (Syrien, Eritrea, Somalia und Afghanistan). Menschen mit einer Duldung erhalten normalerweise keinen Zugang zu Integrationskursen. Zudem werden Ukrainer*innen derzeit oft vorrangig Plätze in Integrationskursen gewährt. Den Zugang lediglich für gestattete Personen zu erleichtern, wie es das Chancen-Aufenthaltsrecht vorsieht, reicht also nicht aus.

Anerkennung von Abschlüssen

Die Anerkennung von Abschlüssen ist ein wesentliches Kriterium dafür, in dem Job arbeiten zu können, in dem eine Person zuvor ausgebildet wurde. Werden Abschlüsse nicht anerkannt, führt dies schnell dazu, dass z.B. Ärzt*innen (die übrigens dringend in Deutschland gebraucht werden) hier nicht als solche arbeiten dürfen. Im Ausland erworbene Bildungstitel werden gar nicht oder schlechter anerkannt und Arbeitsorganisationen erwarten oft national strukturierte Ausbildungen bzw. Bildungswege. Zudem sind Anerkennungsverfahren sowie auch die damit erforderlichen Übersetzungen und Beglaubigungen von Dokumenten sehr belastend und häufig mit hohen Kosten verbunden.

  • Während ukrainische Staatsangehörige durch die am 5. April 2022 von der Europäischen Kommission veröffentlichten „Empfehlungen für schnellere und flexiblere Anerkennungsverfahren zur Anerkennung der Qualifikationen von Menschen, die vor der Invasion Russlands in der Ukraine fliehen“ vereinfachte Verfahren gelten: „Es soll auf bestimmte Anforderungen, wie z. B. beglaubigte Übersetzungen, verzichtet werden“, sind alle anderen betroffenen Menschen oft mit bürokratischen Hürden konfrontiert, die undurchsichtig und unüberwindbar scheinen.
  • Ukrainer*innen wird der Weg in eine Arbeitsmarktintegration geebnet, während alle anderen in eine sehr unsichere Situation gebracht werden, die eine große psychische und emotionale Belastung bedeutet, da ihnen mit der Nicht-Anerkennung ein wichtiger Aspekt der eigenen Identität und Expertise abgesprochen wird. Dies betrifft junge Menschen besonders. Für sie sind Ausbildung und der Einstieg in Arbeit ein wesentliches Moment ihrer Lebensphase. Die sich hierbei vollziehenden Ausschlussdynamiken können schwerwiegende Folgen für die Biografien der Menschen haben.
  • Ukrainer*innen haben durch die Anerkennung von Abschlüssen auch eine finanzielle Ersparnis, da die Übersetzungen und Beglaubigungen von Dokumenten mit Kosten verbunden sind – alle anderen müssen diese Kosten tragen.
  • Bei der Zeugnisbewertung für ausländische Hochschulqualifikationen sollen die bürokratischen Hürden für ukrainische Geflüchtete erleichtert werden: „Zusätzlich bietet die ZAB für Geflüchtete aus der Ukraine ein Plausibilisierungsverfahren bei fehlenden Dokumenten an. So können Antragstellende, die ihren Hochschulabschluss nicht durch Zeugnisse nachweisen können, bei festgestellter Plausibilität ebenfalls eine Zeugnisbewertung erhalten“, heißt es auf der Website der Kultusministerkonferenz. Ziel einer Zeugnisbewertung ist es, den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt mit einer ausländischen Hochschulqualifikation zu erleichtern.

Forderungen

  • Erlaubnis für Beschäftigung und selbstständige Erwerbstätigkeit für alle asylsuchenden, schutzberechtigten und geduldeten Menschen einführen.
  • Zugang zu Förderangeboten der Agentur für Arbeit sowie des Jobcenters für Alle.
  • Zugang zu Integrationskursen und berufsbezogener Sprachförderung (DeuFöV) für alle asylsuchenden, schutzberechtigten und geduldeten Menschen – nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis.
  • Schnellere und flexiblere Anerkennungsverfahren zur Anerkennung der Qualifikationen aller Asylsuchenden und Schutzberechtigten.
  • Übernahme der Kosten für Anerkennungsverfahren sowie die Verbesserung des Angebots und der Finanzierungsmöglichkeiten für Anpassungsqualifizierung.

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte prüfen Sie die Details und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.