Ungleichbehandlung bei der Ankunft

Etliche Antdiskriminierungs-Beratungsstellen werden von einer Vielzahl von Geflüchteten aus der Ukraine aufgesucht. Bei den Betroffenen handelt es sich überwiegend um afrikanische Studierende aus der Ukraine. Sie flohen mit rechtmäßigem Aufenthalt vor demselben Krieg wie ukrainische Staatsangehörige und sollten in gleichem Maße wie ukrainische Staatsangehörige als Kriegsflüchtlinge behandelt werden.

Rassistische Auswahl

  • Fortsetzung der rassistischen Auswahl innerhalb der Bundesrepublik: Drittstaatangehörige (z.B. Studierende, Migrant*innen) müssen entweder in das Herkunftsland ausreisen oder das reguläre Asylverfahren durchlaufen, obwohl sie vor demselben Krieg geflohen sind wie Menschen mit einem ukrainischen Pass. Da sie sich als Drittstaatangehörige mit rechtmäßigem Aufenthaltstitel in der Ukraine aufgehalten und dort ihren Lebensmittelpunkt hatten und nach dem Krieg dorthin zurückkehren wollen, ist eine Rückkehr in das Herkunftsland unverhältnismäßig. Das BMI und das MKJFGFI haben in ministeriellen Schreiben diese Regelungen aufgeweicht und für einige Drittstaatangehörige unter bestimmten Bedingungen einen Aufenthaltstitel möglich gemacht. Allerdings hat sich dies in der Umsetzungspraxis der Ausländerbehörden unserer Beratungserfahrung nach noch nicht landesweit etabliert.
  • Racial Profiling ist rechtswidrig. Von Racial Profiling der deutschen Polizei sind nicht nur Schwarze Geflüchtete und Geflüchtete of Color, die aus der Ukraine flohen, betroffen und werden dadurch rassistisch verletzt, sondern auch Schwarze Deutsche und Deutsche of Color sowie nicht-weiße Menschen aus diversen anderen Ländern, die sich in Deutschland aufhalten oder hier leben.

Behördliche Bevorteilung und Benachteiligung

  • Nach Aktivierung der EU Richtlinie zum vorübergehenden Schutz wurden aufenthaltsrechtliche Verfahren von Geflüchteten, die nicht die ukrainische Staatsangehörigkeit haben, von den Ausländerbehörden zurückgestellt. Die Bearbeitungsdauer von Verfahren war vorher bereits unverhältnismäßig lang. Dadurch ergibt sich eine weitere Zuspitzung und somit eine Benachteiligung für Nicht-Ukrainer*innen.
  • Die Anträge der drittstaatsangehörigen (nicht ukrainischen) Studierenden auf Erteilung von Aufenthaltstiteln werden nicht oder sehr schleppend bearbeitet. In einigen Gemeinden NRWs wurden nicht einmal Fiktionsbescheinigungen ausgestellt. Diese Personen können sich demnach nicht ausweisen und sind somit auch nicht handlungsfähig. Ihre Registrierung verzögert sich; Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wurden nicht angenommen. Erwerbstätigkeiten werden nicht erlaubt. Die Forderung der Ausländerbehörde an die Student*innen, ihre Dokumente im Original vorzulegen, lässt gänzlich außer Betracht, dass es sich auch bei diesen Personen um Kriegsflüchtlinge handelt. Im Gegensatz hierzu wird bei ukrainischen Staatsangehörigen zum Identitätsnachweis eine Gesamtschau der Nachweise, die die Personen mit sich führen, als ausreichend erachtet.
  • Die EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz gewährt den europäischen Staaten einen Ermessensspielraum hinsichtlich drittstaatsangehöriger Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die lediglich einen befristeten und zweckgebundenen Aufenthaltstitel in der Ukraine besitzen. Mit Bedauern mussten wir feststellen, dass auf ihre Situation nicht nur keine Rücksicht genommen, sondern vielmehr mit einer Abwehrhaltung reagiert wird. Eine Ermessensausübung, aus der eine individuelle Prüfung der Lebenssituationen zu erkennen ist, ist in der Regel nicht gegeben. Dies ist jedoch nach den ergänzenden Hinweisen des BMI zuletzt geändert am 05.09.2022 zu dem Durchführungsbeschluss erforderlich.
  • Solch eine Vorgehensweise widerspricht auch den Hinweisen des BMI, die nach ihrer Begründung dazu dienen soll, die Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels vorerst zu ermöglichen, um den vor dem Krieg in der Ukraine Geflüchteten die Einreise und den Aufenthalt in der Bundesrepublik zu erleichtern und ihnen die Möglichkeit und erforderliche Zeit für die Einholung eines Aufenthaltstitels, z.B. zu Studien- oder Ausbildungszwecken, im Bundesgebiet zu geben und damit vor dem möglichen Hineinwachsen in einen unerlaubten Aufenthalt zu schützen. So heißt es in dem Rundschreiben des BMI ausdrücklich: „Besteht begründete Aussicht auf die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, ist die Prüfung einer sicheren und dauerhaften Rückkehrmöglichkeit zunächst zurückzustellen (vgl. BMI v. 14.04.2022, S. 8). Entgegen diesen Hinweisen des BMI verschicken die Ausländerbehörden Anhörungsschreiben an die Betroffenen und zwar mit der Aufforderung, die Gründe, warum sie nicht sicher und dauerhaft in ihre Heimatländer zurückkehren können, vorzutragen. Das bedeutet, dass aufenthaltsrechtliche Möglichkeiten seitens der Ausländerbehörde nicht überprüft werden, sondern vielmehr überprüft werden soll, ob Asylgründe vorliegen könnten, um diese Personen an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu verweisen.

Besonders vulnerable Menschen…

  • Unter den Drittstaatangehörigen gibt es queere Geflüchtete, die in der Ukraine studiert haben oder die bereits dort auf dem Fluchtweg waren. Viele kommen aus Russland, Belarus, Tschetschenien und anderen Ländern. Aus Ländern, in denen ihr Queer-Sein per Gesetz bestraft wird. Und nun fliehen auch sie aus der Ukraine vor dem Krieg. In Deutschland müssen sie das Asylsystem (erneut) durchlaufen, während (queere) Geflüchtete mit ukrainischem Pass direkt anerkannt werden. Zudem zeigt sich ihnen gegenüber zusätzlich verstärkt anti-slawischer Rassismus.

Forderungen

  • Alle Ermessensspielräume bei der Anwendung der EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz sollten ausgeschöpft werden.
  • Kopien der Ausweise und weiterer Identitätsnachweise von Schwarzen und Geflüchteten of Color im Rahmen einer Gesamtschau berücksichtigen.
  • Konsequente Anwendung von Art. 1 und Art 3 GG, denn: Die vorgenannten Ungleichbehandlungen stellen eine Diskriminierung dar, die nicht mit den Grundgedanken des Art. 1 und Art 3 GG vereinbar sind. Insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass die Menschen – ukrainische Staatsangehörige wie afrikanische Studierende – vor demselben Krieg geflohen sind.
  • Auch beim Schutz von Kriegsflüchtlingen müssen Diskriminierungsverbote geachtet werden.
  • Als ein Zwischenschritt könnten wenigstens Weisungen wie in Hamburg, Bremen und Berlin, nach denen Drittstaatangehörigen zunächst eine Fiktionsbescheinigung mit einer Geltungsdauer von mindestens sechs Monaten ausgestellt wird, eingeführt werden. Die Betroffenen können in dieser Zeit die deutsche Sprache erlernen, mit potentiellen Arbeitgeber*innen in Kontakt treten, einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich an den Universitäten bewerben.

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