Ungleichbehandlung im Alltag

Auch im Alltag machen geflüchtete Menschen sehr unterschiedliche Erfahrungen in Deutschland. Auch hier zeigt sich die systematische Ungleichbehandlung sehr praktisch in der Benachteiligung einiger, z.B. bei Bereitstellung von Informationen in bestimmten Sprachen, der Eröffnung eines Bankkontos, der Anerkennung von Führerscheinen oder bei Stellenausschreibungen.

Sprache

  • Zahlreiche Behörden, Verwaltungen und Ämter haben zur Unterstützung speziell ukrainischer Geflüchteter ganze Abteilungen und Fachgruppen neu eingerichtet. Dies beinhaltet oft auch Unterstützungsangebote und Informationen in ukrainischer Sprache. Dies ermöglicht effektive und schnellere Unterstützung und führt dazu, dass die Informationen schnell die Zielgruppe erreichen. Vergleichbare Auftritte für Geflüchtete anderer Herkunftsländer (Syrien, Afghanistan etc.) gab bzw. gibt es so großflächig nicht.
  • Während behördliche Briefe für Ukrainer*innen oft auf Ukrainisch verfasst werden, stehen andere Menschen vor der Hürde, den Brief übersetzen zu lassen, was wiederum Zeit und Geld kostet.
  • Von offizieller Seite in der eigenen Erstsprache angesprochen zu werden, hat zudem die Dimension, sich angesprochen, ernst genommen und willkommen fühlen zu können.

Bankkonto

Ein Bankkonto eröffnen zu können ist beispielsweise relevant, wenn jemand Leistungen des Jobcenters erhalten, eine Arbeit annehmen oder eine Wohnung mieten will. Laut § 2 Zahlungskontengesetz haben alle Verbraucher*innen mit rechtmäßigem Aufenthalt in der EU einen Rechtsanspruch auf ein Konto mit Grundfunktionen (Basiskonto), explizit auch Asylsuchende und Geduldete. Somit ist auch kein vollständiger Identitätsnachweis erforderlich. In der Praxis wird die Eröffnung eines Kontos jedoch oft erschwert – in diesen Fällen können sich Menschen an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wenden, die Verwaltungsverfahren durchführt.

  • Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erklärt explizit in Bezug auf Geflüchtete aus der Ukraine: Banken können für „Flüchtlinge aus dem ukrainischen Kriegsgebiet ein Basiskonto eröffnen, die weder einen ukrainischen Reisepass noch eine mit Sicherheitsmerkmalen versehene ukrainische ID-Card besitzen und auch (noch) nicht über ein Ausweisersatzpapier verfügen, wie beispielsweise einen Ankunftsnachweis.“ Es genügt also (irgend)ein ukrainisches Ausweisdokument und (irgend)ein Dokument einer deutschen Behörde vorzulegen, jedoch wird explizit kein ukrainischer Personalausweis benötigt. Teilweise wird bei Ablehnung einer Eröffnung eines Basiskontos bei „anderen Ausländer*innen“ (Nicht-Ukrainer*innen) gerade mit der Identitätsanforderung laut des Geldwäschegesetz argumentiert, was bei ukrainischen Geflüchteten durch diese Regel vereinfacht wird: „Bis zur Vorlage eines den Identifizierungsanforderungen des Geldwäschegesetzes entsprechenden Dokuments unterliegt das so eröffnete Basiskonto einem verstärkten Monitoring durch die Bank.“

Führerschein-Anerkennung

Laut Amtsblatt der EU vom 22.7.2022 gilt seit dem 27.7.2022 der ukrainische Führerschein auch in der EU weiter.

  • Die automatische Gültigkeit von in der Ukraine ausgestellten Führerscheinen gilt für alle Menschen, die wegen des Krieges aus der Ukraine geflohen sind. Das sind alle ukrainischen Staatsangehörigen sowie alle geflüchteten Staatenlosen und Angehörigen von anderen Staaten, die in der Ukraine vor dem Krieg Schutz gefunden hatten. – Personen mit befristeten Studien- oder Arbeitsvisa werden in der Verordnung nicht berücksichtigt, d.h. für diesen Personenkreis gilt die Verordnung nicht.
  • Während sich die EU in ihrem Amtsblatt vom 22.7.2022 mit ukrainischen Geflüchteten empathisch zeigt und keine Übersetzung von Fahrerlaubnissen und keine deutschen Fahrprüfungen verlangt (“Diese Anforderungen stellen jedoch für die aus der Ukraine vertriebenen Menschen eine unverhältnismäßige Belastung dar und können in vielen Fällen wahrscheinlich nicht erfüllt werden. Daher sollte von solchen Personen, denen nach nationalem Recht vorübergehender Schutz oder angemessener Schutz gewährt wird, die Vorlage solcher Dokumente im Gebiet der Union nicht verlangt werden.”, wird anderen Geflüchteten der Zugang nicht erleichtert.
  • So müssen Geflüchtete aus anderen Nicht-EU-Staaten, mit denen kein Anerkennungsabkommen (Wiener Abkommen) besteht, ihren Führerschein kostenpflichtig übersetzen lassen (sofern er nicht in englischer Sprache ausgestellt wurde).
    • Diese Benachteiligung bedeutet, dass Übersetzungen von Dokumenten und die Beantragung eines Internationalen Führerscheins oder deutschen Führerscheins für alle anderen nötig werden, was mit Kosten und Zeitaufwand verbunden ist.
    • Für viele Arbeitsstellen ist eine Fahrerlaubnis nötig – die Ungleichbehandlung wirkt sich also auf weitere, größere Zusammenhänge aus.

Diskriminierung bei Stellenausschreibung

  • Manche Unternehmen schreiben Stellenangebote aus, die sie gezielt und ausschließlich geflüchteten Ukrainer*innen anbieten. Dies ist nicht zulässig, weil es Geflüchtete anderer Staatsangehörigkeit oder Herkunft benachteiligt und insofern gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstößt
    • Eine Beratungsstelle beschäftigte sich explizit mit der Stellenausschreibung eines Unternehmens, die sich explizit nur an „geflüchtete Ukrainer“ richtete und zweisprachig (deutsch, ukrainisch) formuliert war. Erst auf Hinweis einer Beratungsstelle wurde die Stellenausschreibung aus dem Netz genommen.

Forderungen

  • Aufbau spezifischer Unterstützungsangebote und Fachexpertise in Behörden und Ämtern für Geflüchtete gemäß unterschiedlicher Herkunftsländer.
  • Ein behördliches Credo entwickeln, das zeigt “Wir sehen, dass Sie in einer schwierigen Lage sind und tun alles, um Sie bestmöglich zu unterstützen.” – Dies beinhaltet die Bereitstellung von und vereinfachten Zugang zu Formularen und Informationen in allen Sprachen.
  • Vorgaben für Erleichterungen beim Nachweis der Identität bei der Eröffnung eines Basiskontos für Alle.
  • Anerkennung von Fahrerlaubnissen von allen Geflüchteten.

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